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Effektive Bewertungen

 

Effektive Bewertungen

Alexander Hristov

 

Wie du wahrscheinlich schon gesehen hast, haben viele Rollen mit der Bewertung anderer Personen zu tun. Es ist wichtig zu wissen, dass "evaluieren" bedeutet, "konstruktives Feedback zu geben", damit die Person, die bewertet wird, sich auf bestimmte Weise verbessern kann. Eine Bewertung bedeutet keinesfalls, andere Menschen zu beurteilen oder zu kritisieren.

 

Die Rolle des Rede-Bewerters ist eine der wichtigsten Rollen bei Agora. Du vermittelst einem anderen Mitglied wichtige Erkenntnisse, die diese Person dabei unterstützen, auf ihrem Bildungsweg voranzukommen.

 

Jeder ist qualifiziert, ein Rede-Bewerter zu sein

 


Bosco Montero bewertet eine Rede bei einem Treffen der Agora Speakers in Madrid
Bosco Montero bewertet eine Rede bei einem Treffen der Agora Speakers in Madrid

Einige Fragen, die Rede-Bewerter für gewöhnlich stellen, lauten: "Habe ich genügend Erfahrung, um ein Rede-Bewerter zu sein?" oder "Ich habe erst ein paar wenige Projekte abgeschlossen. Bin ich qualifiziert dafür, Rede-Bewerter bei einem fortgeschrittenen Projekt zu sein?"

Viele Menschen denken, dass sie noch nicht genügend Reden gehalten haben und ihnen aus diesem Grund das Wissen oder die Erfahrung fehlt, um die Rede einer anderen Person zu beurteilen.

Dies ist jedoch ein Trugschluss. Denke zum Beispiel an das letzte Mal, als du mit einem Freund ins Kino gegangen bist. Hattest du eine Meinung zum Film oder zu den Schauspielern, nachdem du den Kinosaal verlassen hast? Ich wette, dass die ersten Dinge, die du deinem Freund nach Ende des Films gesagt hast, in etwa so waren: "Wow, das war ein toller Film. Ich fand es toll, als .... " oder "Mensch, was für ein schrecklicher Film. Die Schauspieler waren soooo schlecht". Dabei bist du weder ein professioneller Filmemacher noch Drehbuchautor oder Schauspieler.

Das Gleiche gilt für viele andere Aspekte unseres Lebens. Wir gehen in ein Restaurant und haben eine Meinung zum Essen, auch wenn wir nicht einmal in der Lage sind, ein einfaches Spiegelei zu kochen, ohne Chaos in der Küche zu hinterlassen. Wir schauen uns ein Theaterstück an und haben eine Meinung zu der Handlung und den Schauspielern, auch wenn wir selbst nicht auf der Schauspielschule waren. Wir gehen zu einem Fußballspiel und haben eine Meinung dazu, wie jeder Spieler gespielt hat, auch wenn wir nie Sport getrieben haben.

Der Grund für all das ist, dass wir nicht aus einer professionellen Sichtweise heraus bewerten.

Das Ziel einer Redebewertung besteht nicht darin, den Redner nach akademischen oder professionellen Kriterien zu bewerten.

Das Ziel einer Rede-Bewertung ist es, deine Meinung über den Redner und die Rede aus der Sicht eines Zuhörers zu äußern.

Als Teil des Publikums weißt du, was du gesehen hast, was du gehört hast und welche Gefühle die Rede in dir ausgelöst hat. Zudem hast du bereits dein Leben lang Reden in allen möglichen Kontexten gehört.

Denke auch daran, dass du als Bewerter lediglich deine eigene Meinung zum Ausdruck bringst.

Deine Ziele als Bewerter

Du hast drei vorrangige Ziele als Rede-Bewerter:

  • Den Redner motivieren: Alle Redner sind auch nur Menschen und sie haben die gleichen Sorgen und Bedürfnisse nach Akzeptanz wie jeder andere auch. Selbst wenn ein Redner bereits sehr erfahren ist und Selbstvertrauen ausstrahlt, so kann er immer noch die gleichen inneren Zweifel und Ängste haben wie: "Habe ich es richtig gemacht?", "War ich überzeugend?", "Was denken diese Leute von mir?" oder "Haben sie gemerkt, dass ich diesen und jenen Fehler gemacht habe?". Der einzige Unterschied zwischen einem erfahrenen Redner und einem Anfänger, wenn es um diese Unsicherheiten geht, ist die Art und Weise, wie sie diese kontrollieren und mit ihnen umgehen. Daher werden es alle Redner zu schätzen wissen, gelobt und ermutigt zu werden, indem du sie auf die positiven Dinge hinweist, die sie getan haben.
  • Den Redner und das Publikum schulen: Als Bewerter musst du nicht nur die Dinge aufzeigen, die verbessert werden könnten, sondern auch, warum diese Dinge wichtig sind. Sage nicht einfach "Ich würde ein bisschen stärker auf die Stimmvielfalt achten". Erkläre, warum dieser Aspekt im Allgemeinen und für dieses spezielle Projekt besonders wichtig ist. Wir Menschen können am besten lernen, wenn wir den Hintergrund, die Zusammenhänge, das "Warum" verstehen.
  • Dem Redner helfen, sich zu verbessern: Alle Redner wollen sich verbessern, auch die Profis. Damit sich ein Redner verbessern kann, braucht er von Dir spezifische und umsetzbare Ratschläge, was er deiner Meinung nach besser oder anders hätte machen können, um seine Rede noch effektiver zu gestalten.

 

Du musst diese Ziele nicht auswändig lernen, aber wenn es dir hilft, warum nicht?

 

Was du als Bewerter zu tun hast - Vor dem Meeting

Um als Bewerter erfolgreich zu sein, musst du sowohl die Person, die die Rede halten wird, als auch das Projekt selbst kennen. Auch wenn du dich für die Rolle des Bewerters bei dem Meeting "freiwillig" gemeldet hast, hast du immer etwas Zeit, bevor das Treffen beginnt, um zumindest zu versuchen, auf die folgenden Dinge zu achten.

 

1. Informiere dich über das Projekt

Lies dir die Projektbeschreibung, nach der Referent sprechen wird, vollständig durch. Achte dabei besonders auf die Lernziele und die Hauptziele. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse, die der Referent aus dem Projekt mitnehmen kann.

 

2. Bestimme den Kontext

Alle Bewertungen sollten auf den jeweiligen Kontext, in dem sie stattfinden, zugeschnitten sein. Der Kontext beinhaltet Dinge wie:

  • Die Projektziele
  • Die allgemeinen Ziele des Bildungsweges, den der Sprecher verfolgt
  • Das Niveau des Sprechers
  • Die spezifischen Interessen des Sprechers
  • Der Veranstaltungsort
  • Die Zeit
  • Die vorangehenden und nachfolgenden Veranstaltungen.

Als Beispiel dafür, wie der Kontext eine gute Bewertung beeinflusst, betrachte das Niveau des Sprechers. Wenn jemand noch nicht sehr erfahren darin ist, vor anderen Personen eine Rede zu halten, kann das Feedback zu grundlegenden Elementen, wie beispielsweise Augenkontakt mit dem Publikum herzustellen, umfangreich und ausgiebig erklärt werden. Zum Beispiel: "Während deiner Rede hast du nicht so oft auf die linke Seite des Publikums geschaut. Einen guten Augenkontakt mit allen Zuhörern herzustellen ist aus vielen Gründen wichtig. Du ziehst sofort die Aufmerksamkeit der Person auf dich, die du ansiehst, du vermittelst ein Gefühl von Selbstvertrauen und Autorität und du schaffst eine Atmosphäre eines freundlichen Eins-zu-Eins-Gesprächs mit dieser Person".

Wäre der Redner stattdessen ein erfahrener Redner, der bereits 20 Projekte hinter sich hat, wäre das oben genannte Feedback ein wenig zu viel des Guten und du würdest kostbare Zeit verschwenden, die du besser dafür nutzen könntest, andere Dinge anzusprechen. Bitte denke daran, dass dies nicht bedeutet, dass du solche Dinge überhaupt nicht erwähnen solltest. Ganz im Gegenteil, alle Sprecher - selbst Profis - machen gelegentlich grundlegende Fehler. Sage also so etwas wie "Während deiner Rede hast du nicht so oft auf die linke Seite des Publikums geschaut." Halte dich jedoch nicht allzu lange mit diesem Thema auf. Ein fortgeschrittener Redner weiß das bereits.

Außerdem möchten erfahrene Redner in der Regel zusätzliche Verbesserungsvorschläge erhalten, während Anfänger mehr Ermutigung und nur wenige Tipps zur Verbesserung benötigen.

Der Veranstaltungsort ist ebenfalls ein wichtiger Kontext. Gute Redner müssen sich an schlechte Veranstaltungsorte anpassen:

  • Raumaufteilung - Manchmal ist der Veranstaltungsort ungeeignet, weil das Publikum nicht an einem einzigen Ort konzentriert ist, sondern mitten im Raum verteilt sitzt. Gute Redner müssen darauf achten, dass sie alle Mitglieder des Publikums ansprechen und Blickkontakt mit ihnen herstellen, egal wo sie sitzen.
  • Akustik - Manche Veranstaltungsorte haben eine schlechte Akustik und ein guter Redner muss das kompensieren, indem er seine Stimme noch besser einsetzt.
  • Beleuchtung - Manchmal ist das Licht zu schwach und der Redner muss zusätzliche Akzente setzen, damit die Leute nicht einschlafen. Manchmal ist das Licht zu grell, was problematisch sein kann, wenn der Redner visuelle Hilfsmittel oder Projektionsgeräte verwendet.
  • Temperatur - Wenn der Veranstaltungsort keine angemessene Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Belüftung hat, werden sich die Leute stärker darauf konzentrieren. Dies bedeutet, dass der Redner zusätzliche Anstrengungen unternehmen muss, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu behalten. Ein guter Redner baut oftmals einen passenden (meist humorvollen) Hinweis auf diese Faktoren in seine Rede ein und kann damit praktisch mühelos sofort eine positive Verbindung mit dem Publikum herstellen.

Tag und Uhrzeit sind ebenfalls sehr wichtige Faktoren bei einer Rede. In einem Club sind Tag und Uhrzeit relativ konstant, da sich die meisten Clubs zur gleichen Zeit am gleichen Wochentag treffen. Für Projekte außerhalb des Clubs und für die reale Welt ist jedoch eine Rede, die an einem Montag früh morgens gehalten wird, nicht dasselbe wie eine Rede, die an einem Freitag gehalten wird, bevor der Arbeitstag fast vorbei ist und die Leute bereits in Gedanken im Feierabend sind. Eine Rede um 8:00 Uhr morgens sollte nicht genauso sein wie eine Rede, die unmittelbar vor oder nach dem Mittagessen gehalten wird.

 

3. Kontaktiere den Redner

Deine Arbeit als Bewerter beginnt schon lange vor dem Treffen. Viele Referenten haben bei jedem Projekt ihre eigenen zusätzlichen Ziele. Sie wollen sichergehen, dass sie bestimmte Dinge aus früheren Projekten gelernt und umgesetzt haben. Es ist sehr hilfreich, wenn jemand sie darauf hinweist, wie erfolgreich (oder nicht) sie dabei waren. Vielleicht hat der Redner die Angewohnheit, zu oft zur linken Seite des Publikums zu schauen? Vielleicht hat der Redner die Angewohnheit, sich die ganze Zeit hin und her zu bewegen? Vielleicht will der Redner sicherstellen, dass seine Aussprache klar ist und dass er auch im hinteren Teil des Raumes gehört wird?

Aus diesen Gründen solltest du den Redner vor dem Treffen kontaktieren und ihn fragen, ob er möchte, dass du neben den Projektzielen auf etwas Besonderes achtest.

 

4. Bereite deine Bewertung vor

Obwohl du die Rede noch nicht gehört hast, so kannst du dich vor dem Meeting dennoch für deine Bewertungsstrategie entscheiden und eine allgemeine Struktur vorformulieren. Zum Beispiel kannst du im Voraus entscheiden, dass du mit einem positiven Kommentar darüber beginnst, wie sehr sich der Redner bereits verbessert hat. Oder du entscheidest dich, mit einer persönlichen Geschichte zu beginnen, die du in Bezug auf dieses bestimmte Projekt selbst gemacht hast. Ein Kollege pflegte jede einzelne seiner Bewertungen mit "Deine Rede erinnerte mich daran, als .... " zu beginnen und dann mit einer sehr kurzen, persönlichen Anekdote fortzufahren.

Du kannst auch einige Zitate auswählen, die zu dem jeweiligen Projekt passen. Zum Beispiel für das Projekt "Rede-Entwicklung", bei dem der Schwerpunkt auf der Verwendung einer effektiver Sprache während des Verfassens einer Rede liegt, füge ich gerne das folgende Zitat von Antoine de Saint-Exupery ein:

"Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle keine Leute zusammen, um Holz zu sammeln, und weise ihnen keine Aufgaben und Arbeit zu, sondern lehre sie die Sehnsucht nach der endlosen Weite des Meeres."

Dieses Zitat hilft dir dabei zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, eine Sprache zu verwenden, die in den Zuhörern starke Bilder und Gefühle hervorruft.

Denke daran, dass eine Bewertung auch eine Rede an sich ist, die ebenfalls alle Aspekte einer guten Rede in sich vereinen sollte - Struktur, Botschaft, Klarheit, Tempo, etc.

Du kannst auch die Hauptpunkte, auf die du dich konzentrieren willst, vorformulieren und vielleicht einige Schlüsselwörter vorbereiten, die du später nur unterstreichen oder ankreuzen wirst (manche ziehen es vor, "Plus"- und "Minus"-Zeichen zu schreiben), je nachdem, wie die Rede vorgetragen wird. Alle Dinge, die du tun kannst, um dir das Aufschreiben deiner Eindrücke während der Rede selbst zu ersparen, sind willkommen, denn so hast du mehr Zeit, um dich auf die Rede zu konzentrieren.

Was du als Bewerter zu tun hast - Während des Meetings

 

Wo du sitzen sollst

Du solltest an einer neutralen Stelle sitzen, die nicht privilegiert ist. Widerstehe der Versuchung, in der ersten Reihe zu sitzen, um den Redner deutlich zu "sehen und zu hören", denn so wird er vom Publikum im Allgemeinen nicht wahrgenommen. Denke daran, dass du als Bewerter nicht eine Art offizieller Richter für eine Leistung bist, dessen Meinung wichtiger ist als die von irgendjemand anderem, sondern lediglich ein Mitglied des Publikums, dem die Möglichkeit gegeben wurde, seine Meinung öffentlich in einer Bewertungsminirede kundzutun.

 

Sorgfältig zuhören

Es versteht sich von selbst, dass man sich eine Rede anhören muss, um sie zu bewerten, und zwar sehr sorgfältig. Hoffentlich hast du zu diesem Zeitpunkt die Dinge, auf die du dich konzentrieren wirst, schon vorformuliert, damit du damit keine Zeit mehr verschwenden musst. Vergiss dein Getränk, dein Essen, dein Handy, deine Nachbarn im Publikum oder das Mitglied, in das du verknallt bist... Vergiss alles andere um dich herum!

 

Sich Notizen machen

Es ist egal, wie sehr du davon überzeugt bist, dass du ein tolles Gedächtnis hast. Dem ist nicht so. Es spielt keine Rolle, wenn du denkst, dass du dich an alles erinnern wirst, was du über die Rede sagen willst - schreibe es dir auf. Notiere dir die Aspekte, die du später ansprechen willst, während sie passieren:

  • Besondere Zitate oder Sätze, die du besonders gut oder einprägsam findest
  • Gesten oder Körperbewegungen, die sehr passend waren, um die Hauptbotschaft zu unterstützen (oder Gesten bzw. Körperbewegungen, die sich im Gegenteil dazu unbeholfen, übertrieben oder deplatziert anfühlten)
  • Visuelle Hilfsmittel oder Requisiten, die hervorstachen oder nicht sehr erfolgreich eingesetzt wurden.
  • Generell jedes Element der gesamten Präsentation, das großartig war (oder das Gegenteil).

 

Wenn du dir Notizen machst, dann achte darauf, dass du so schreibst, dass du sie auch später ablesen kannst! Schon oft kamen Bewerter in Schwierigkeiten, weil sie ihre eigene Handschrift nicht lesen konnten.

Eine gute Empfehlung besteht darin, in großen Buchstaben zu schreiben. Große Buchstaben lassen sich nicht nur einfacher lesen, sondern du kannst deine Notizen auch aus der Hand legen, wenn du in großen Buchstaben geschrieben hast. Du könntest deine Notizen beispielsweise auf das Rednerpult oder einen Stuhl in der ersten Reihe legen und sie aus der Ferne lesen.

Während du dir Notizen machst, solltest du eine Entscheidung in Bezug auf die Wichtigkeit jedes Aspekts treffen, den du dir notiert hast. Du wirst während deiner Bewertungsrede nicht die Zeit haben, um alles zu sagen, was du sagen willst. Deshalb besteht eine gute Technik darin, jeder Beobachtung eine Wichtigkeitszahl zuzuordnen (manche Leute bevorzugen zum Beispiel die Symbole "+", "++" und "+++" sowie "-") und dann schnell eine Gliederung der Dinge zu schreiben, die du sagen willst, sobald die Rede vorbei ist.

 

Zeigen, dass es dir wichtig ist

Obwohl sie es nicht sollten, schenken die Redner dem Bewerter meist mehr Aufmerksamkeit als dem Rest des Publikums. Bis zu einem gewissen Punkt ist das ganz natürlich und auch nicht sehr problematisch. Und doch bedeutet dies eine zusätzliche Verantwortung für dich. Du solltest zeigen, dass dir die Rede wichtig ist, indem du besonders stark auf den Blickkontakt mit dem Redner achtest, kleine Zustimmungsgesten wie Nicken an den Tag legst und zudem zeigst, dass du den Redner unterstützt, wenn dies notwendig ist, zum Beispiel wenn der Redner einen Witz oder eine lustige Anekdote präsentiert.

 

Dinge, um die es bei der Bewertung nicht geht

Beim Anhören der Rede ist es immer gut, sich nicht nur die Dinge zu merken, die bewertet werden, sondern auch die, die nicht bewertet werden:

  • Die Wahl des Inhalts wird in der Regel nicht bewertet, es sei denn, wenn diese mit dem Erreichen der Projektziele zusammenhängt. Wenn es in dem Projekt zum Beispiel um Körpersprache geht, dann könntest du darüber sprechen, ob dieses Thema gut gewählt war oder nicht. Ansonsten steht es den Sprechern frei, das Thema zu wählen, über das sie sprechen wollen.
  • Der Inhalt wird im Allgemeinen nicht bewertet, außer bei einigen sehr speziellen Projekten. Auch wenn du mit dem Inhalt nicht einverstanden bist, so versuche dennoch nicht, diesen zu kommentieren und schon gar nicht, mit dem Sprecher zu streiten oder dich auf eine Debatte darüber einzulassen, wer Recht oder Unrecht hat.
  • Die Person an sich wird niemals bewertet. Du solltest ihre Kleidung, ihren Stil oder die Wahl der Accessoires nicht kommentieren, außer wenn diese Dinge die Rede auf eine ganz bestimmte Art und Weise beeinflussen. Wenn der Redner zum Beispiel viele Armbänder trägt, die jedes Mal, wenn er seine Hand bewegt, störende Geräusche machen, dann ist das etwas, worauf man hinweisen sollte. Jedoch sind Kommentare wie "Du hattest heute ein sehr schönes Kleid an" oder "Du hast heute aber einen schönen Anzug getragen" völlig unangebracht.

 

Was du als Bewerter tun sollst - Die Bewertung an sich

Normalerweise ist der empfohlene Ansatz für eine Bewertungsrede der sogenannte "Sandwich"-Ansatz. Bei diesem Ansatz präsentierst du zuerst eine "Schicht" mit positivem Feedback und den Dingen, die dir gefallen haben. Darauf folgt eine "Schicht" mit den Dingen, die verbessert werden sollten und schließlich kommt nochmals eine "Schicht" mit den Dingen, die dir gefallen haben. Das Sandwich kann mehrere Etagen hoch sein, wenn du diese Struktur immer wiederholst.

Sandwich Approach Blank
positive Kommentare

Verbesserungs-vorschläge

positive Kommentare

Wie "dick" sollte jede Schicht sein? Dies hängt stark vom Niveau und dem Selbstvertrauen des Sprechers ab.

  • Für Anfänger ist zum Beispiel wie 40% positives Feedback, 20% Verbesserungspunkte, 40% positives Feedback sehr ermutigend. Das würde wahrscheinlich bedeuten, dass du bei der Bewertung nur ein paar Punkte zur Verbesserung erwähnst, also nur die wichtigsten.
  • Fortgeschrittene Sprecher würden jedoch wahrscheinlich ein Verhältnis von 20%/50%/30% bevorzugen, was fünf bis sechs Punkte für Verbesserungen und zwei bis drei sehr starke positive Punkte bedeutet.

 

Positives Feedback geben

Positives Feedback ist in der Regel der einfachste Teil. Allerdings ist es sehr leicht, hier in verschiedene Fettnäpfchen zu tappen:

  • Lob - Lob ist definitiv positiv und jeder erhält gerne Lob. Lob ist jedoch kein Feedback. Der Unterschied besteht darin, dass Lob unspezifisch ist und der Sprecher nicht wissen kann, wofür er genau gelobt wurde, sodass er diese Sache wiederholen oder darauf aufbauen kann. Zum Beispiel: "Du hast tolle Arbeit bei der Geschichte geleistet. Wirklich gute Arbeit!" - Das ist unspezifisches Lob. Wenn du jedoch sagst: "Tolle Arbeit an der Geschichte. Ich mochte die Figur des kleinen Mädchens und wie detailliert du sie beschrieben hast. Zudem war super, wie du sie mit deiner Stimme verkörpert hast", dann ist das positives Feedback. Vor allem solltest du dich von allgemeinen Adjektiven fernhalten, die nichts aussagen: "Schöne stimmliche Vielfalt", "gute Rede", "fantastische Präsentation", es sei denn, es folgt eine sofortige Erklärung.
     
  • Trivialitäten - Tappe nicht in die Falle und gib dem Redner positives Feedback oder - schlimmer noch - Lob für triviale Dinge. Dies ist besonders wichtig für fortgeschrittene Sprecher. Für einen Anfänger ist es gut und ermutigend, wenn du erwähnst, dass er keine Notizen verwendet hat oder dass er gut auf den Blickkontakt mit dem Publikum geachtet und es sogar in seine Rede einbezogen hat. Für einen erfahrenen Redner sollten diese Dinge jedoch mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen sein. Versetze dich in die Lage einer Person, die bereits mehr als 20 Projekte abgeschlossen hat und zum 21. Mal hört: "Du hast keine Notizen benutzt, was toll war, weil..."
     
  • Zu viel positives Feedback. Zu viel des Guten kann schlecht sein. Alle Mitglieder treten Agora bei, um sich weiterzuentwickeln, zu verbessern und zu lernen. Wenn eine Bewertung aus 80% (oder noch schlimmer, 100%) positivem Feedback besteht, könnte das Mitglied denken "Ok, wenn ich so toll bin, was mache ich dann überhaupt hier?"
     
  • Positives Feedback als Ausrede oder gemischte Signale. Sehr oft benutzen Menschen positives Feedback als Ausrede oder als Dämpfer für das, was darauf folgt. Oftmals werden Konstruktionen verwendet wie "Ich fand Folgendes toll, ABER .....". Das Wort ABER macht im Grunde genommen alles zunichte, was vorher gesagt wurde und ist eine irrelevante Einleitung für die eigentliche Aussage, die danach kommt. Vermeide dies. Positives Feedback sollte für sich selbst stehen.

 

Feedback zur Verbesserung geben

Dieser Teil ist normalerweise der schwierigste Teil. Dies sind die Gründe dafür:

  • Wir wollen nicht kritisieren
  • Wir sind uns in Bezug auf unsere eigenen Erfahrungen nicht sicher
  • Wir sind uns in Bezug auf unsere Qualifikation nicht sicher
  • Wir sind uns unsicher darüber, ob wir alles richtig gesehen bzw. gehört haben.

Bitte denke immer daran, dass du den Redner nicht bewertest, sondern lediglich deine eigene Meinung ausdrückst und ihm Verbesserungstipps an die Hand gibst.

Um nützlich zu sein, müssen diese Verbesserungstipps so aussehen:

  • Sei spezifisch. Auch das ist der Unterschied zwischen Kritik und Feedback. Kritik ist, genauso wie Lob, unspezifisch und oft persönlich. "Dein Einsatz von Körpersprache war ein bisschen zu viel" ist ein Beispiel für Kritik. Wenn du aber stattdessen sagst: "Als du auf den Tisch gesprungen bist und angefangen hast, dich wie ein Gorilla zu benehmen, und dich dann an die Lampe gehängt hast, denke ich, dass das ein bisschen zu viel war, was die Körpersprache angeht.".
     
  • Biete Hilfestellung an. Das bedeutet, dass du nicht nur konkret aufzeigst, welche Teile der Präsentation verbessert werden könnten, sondern auch Ratschläge gibst, auf welche Art und Weise sie verbessert werden können. In Anlehnung an das vorherige Beispiel könntest du hinzufügen: "Ich denke, es hätte ausgereicht, wenn du deine Hände und deinen Körper wie ein Gorilla benutzt hättest und ein paar Schritte wie ein Gorilla gegangen wärst".
     
  • Umsetzbar. Das bedeutet, dass die Person wirklich etwas gegen die Sache tun kann, die dir nicht gefallen hat. Wenn die Person zum Beispiel eine heisere oder raue Stimme hat, dann ist das ihre Stimme. Es ist nicht wirklich ein konstruktives Feedback, ihr zu sagen: "Ich würde vorschlagen, wenn du romantische Gedichte liest, eine andere Stimme zu benutzen und weicher und melodischer sprichst."

 

Worauf du achten solltest, wenn du deine Verbesserungspunkte präsentierst:

  • Wiederhole die Empfehlungen nicht. Es ist ausreichend, wenn du sie ein einziges Mal erwähnst und nicht ständig darauf herumreitest.
     
  • Verwende keine imperative Sprache. Du bist nicht der Chef des Sprechers. Versuche, "Du solltest", "Du musst" und "Du solltest" zu vermeiden. Stattdessen empfiehlt es sich zu sagen: "Ich würde dies und das stattdessen tun", "Ich empfehle, dass du es so machst", "Ich schlage vor, dass du...", "Ich würde anbieten", etc.
     
  • Sprich nicht in absoluten Worten. Denke daran, dass du nur deine Meinung kundtust und nicht eine universelle Wahrheit aussprichst. Vermeide Aussagen wie: "Die Stimmvielfalt hat gefehlt". Sage stattdessen: "Mir ist nicht allzu viel Stimmvielfalt aufgefallen - ich erinnere mich nur an drei Fälle, als du das kleine Mädchen, den Wolf und die Oma verkörpert hast."
     
  • Sprich nicht im Namen von anderen. Das hängt wieder mit dem vorherigen Punkt zusammen. Du musst weder dem Sprecher noch dem Publikum etwas beweisen. Sage zum Beispiel nicht: "Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die Körpersprache verbessert werden kann".
     
  • Sage, was du beobachtet hast, anstatt Vermutungen über die zugrunde liegenden Gründe anzustellen. Sage zum Beispiel nicht: "Ich hatte das Gefühl, dass die Rede nicht gut vorbereitet war", da du keinerlei Grundlage für diese Annahme hast. Stattdessen könntest du sagen, was du tatsächlich empfunden hast: "Ich hatte das Gefühl, dass du in manchen Momenten zögerlich oder unsicher warst, was du als Nächstes sagen sollst."
     

Der Schluss der Bewertung

Der Abschluss der Bewertung sollte noch einmal das positive Feedback sowie die Verbesserungstipps zusammenfassen und mit einem motivierenden und ermutigenden Höhepunkt enden. Versuche dabei, Klischees zu vermeiden, insbesondere den folgenden Satz: "Ich freue mich auf deine nächste Rede". Versuche, kreativ zu sein und plane deine Schlussworte schon vor der Rede.

 

Was du als Bewerter zu tun hast - Nach dem Meeting

Sprich nach dem Treffen mit der Person, die du bewertet hast, um herauszufinden, ob sie noch irgendwelche Zweifel oder Fragen hat.

Denke auch daran, ihre Bewertungskarte für dieses Projekt auszufüllen.

 

Wie du ein großartiger Bewerter wirst

Wie immer gilt: Übung macht den Meister. Du musst jedoch nicht Bewerter sein, um Übung zu bekommen. Du kannst zum Beispiel all die Dinge machen, die für eine Bewertung notwendig sind, ohne sie jedoch zu präsentieren. Und es ist immer lehrreich, deine Bewertung mit der Bewertung zu vergleichen, die der richtige Bewerter bei der Versammlung präsentiert.

 

Wenn es Deine Rede ist, die bewertet wird


Wenn Deine Rede bewertet wird, nimm die Bewertung mit Demut und als Geschenk an. Der Bewerter ist dazu da, um dir bei deiner Weiterentwicklung zu helfen. Nimm nichts persönlich.

Diskutiere nicht mit dem Bewerter, schon gar nicht während der Bewertung selbst. Der Bewerter sagt nur seine subjektive Meinung und schildert dir die Art und Weise, wie er deine Präsentation gesehen und empfunden hat.

Wenn du etwas dazu oder etwas mit dem Bewerter besprechen willst, dann mache das nach dem Treffen.

 

Wann du KEIN Bewerter sein solltest

 

Sobald du ein aktiver und geschätzter Bewerter in deinem Club geworden bist, dann kann es sein, dass du deine Fähigkeiten auch anderswo einsetzen willst. Tue das mit Vorsicht, wenn überhaupt. Redner in einem Club wollen bewertet werden und Feedback erhalten, sie erwarten und schätzen das. Dies ist jedoch bei der normalen Bevölkerung und bei Redner bei anderen Veranstaltungen nicht unbedingt der Fall.

Stell dir vor, du nimmst an einer Preisverleihung teil, gehst nach der Zeremonie auf den Gewinner zu und sagst etwas wie "Ich fand Ihre Dankesrede super. Ich fand es toll, wie Sie Ihre Stimme benutzt haben, sodass jeder Sie im Raum hören konnte. Ich schlage jedoch vor, dass Sie beim nächsten Mal stärker darauf achten, Blickkontakt mit dem Publikum zu halten? Mir ist aufgefallen, dass Sie dazu neigen, während der Rede zu stark nach rechts zu schauen und... "

So lächerlich das auch erscheinen mag, es kommt vor.

Es gibt einen Unterschied, ob du als Lehrer auftrittst und Feedback gibst oder ob du die ganze Welt belehrst.

 

 


Contributors to this page: agora , monika.graeter and marina.reiser .
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